„Es muss als aussichtsloses Unterfangen erschienen sein, dieses träge Wesen, das sich das Leben als langen Karneval vorstellte, in einen unermüdlichen Arbeiter zu verwandeln. Das bedeutete nicht geringeres, als ‚die Welt auf den Kopf zu stellen‘, allerdings auf durch und durch kapitalistische Weise. Die Unempfänglichkeit für Befehle sollte zu einem Mangel an Begierde und selbständigem Willen, die vis erótica zur vis lavorativa werden, und Bedürfnisse sollten nur als Mangel, Abstinenz und ewige Bedürftigkeit erfahrbar sein.“
(aus: Silvia Federici, Caliban und die Hexe. Frauen, Körper und die ursprüngliche Akkumulation, Wien 2017, S. 191-192.)
Die Ursprünge von “Arbeit Erotika“ liegen in kleinen Zeichnungen, die während alltäglicher Arbeit entstanden sind. Diese Zeichnungen stellen Arbeiter*innen dar, die in zärtlichen und erotischen Momenten miteinander verflochten sind. Die Szenen sind in einer hypothetischen Vergangenheit der 1950er und 1960er Jahre angesiedelt, in Berufen, die heute in andere Ländern ausgelagert wurden oder in Westeuropa hauptsächlich von marginalisierten Gruppen wie Migrant*innen oder Ostarbeiter*innen durchgeführt werden und in denen Geschlechtertrennung einst stark präsent war. Diese intimen Szenen spielen sich außerhalb des Arbeitsprozesses ab und werfen einen kritischen Blick auf die Zurverfügungstellung von Körpern als Arbeitskraft und auf Möglichkeiten des Widerstands. Die Zeichnungen sind von der Lektüre von Silvia Federicis „Caliban und die Hexe“ zu einer tieferen Reflexion über die Verfügbarkeit weiblicher Körper als Arbeitskraft seit dem Frühkapitalismus und den Kämpfen gegen die Kriminalisierung von nicht-reproduktiver Sexualität inspiriert.
Die Zeichnungen von “Arbeit Erotika“ folgen einem klaren Rahmen, der Menschen in Zweierkonstellationen im Zentrum ihrer Arbeitsumgebung zeigt. Werkzeuge bleiben ungenutzt, Prozesse werden gestört und Maschinen stehen still. Eine wiederkehrende Maus in den Bildern symbolisiert spielerisch das Unvorhersehbare und Subversive. Zeitlichkeit durchzieht diese Werke, von sprießenden Kartoffeln bis zu bröckelndem Mauerwerk, von überkochenden Töpfen bis zu vergossener Milch. Diese Werke erzählen Geschichten von Körpern und Arbeitsumgebungen im Wandel.
Die in der Ausstellung gezeigte Arbeit „Ketten bilden“ bestehen aus Keramikperlen, die auf Seilen aufgereiht sind, die teilweise kunstvoll, manche aber auch grob, geformt wurden. Diese Perlen tragen organische Formen, Abdrücke von Werkzeugen und Zahnrädern, die in unterschiedlichen farbigen Tönen gebrannt wurden. Die Perlen erzeugen Klänge, wenn sie aufeinandertreffen – schrill oder dumpf – und stehen für die Vielfalt der menschlichen Erfahrungen, spiegeln zugleich die Arbeitskraft und das Ausnutzen der Verfügbarmachung der Körper als Arbeitskraft wieder. Einige Perlen zerreiben sich unter dem Druck der anderen, während andere widerstandsfähig sind. Die Ketten, die aus diesen Perlen entstehen, werden nicht nur als Schmuck oder Verzierungen betrachtet, sondern symbolisieren auch Kommunikation und Verbindung. Sie hängen im Raum wie Windspiele, fügen sich in die Umgebung ein und laden zum Nachdenken über die Interaktion zwischen Körpern und Gegenständen ein. Sie sind als Ergänzung von “Arbeit Erotika“ zu verstehen.
Die Ausstellung „Idle Time“ gibt uns einen Einblick in die komplexen Beziehungen zwischen Körpern, Arbeit, Geschlecht und Gesellschaft. Indem Stevens die verschiedenen Zeitformen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verknüpft, wird dadurch eine Plattform für kritische Reflexion und künstlerischen Dialog für die Bereitstellung von weiblichen Körpern als Arbeitskraft geschaffen und wie sich das auf unsere heutige Gesellschaft auswirkt und welche Spannungen dadurch erzeugt werden.
Natascha Frieser
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Stadt Köln